Es ist nicht Neues, der Schweizer Film sucht sich, weiss nicht mehr was ihn zusammenhält, schielt nach Amerika und wünscht sich es wäre doch einfacher mit den Sprachen, der Kultur dieses Landes: Wieso nicht nur eine Landessprache sprechen? Ein Film mit dem Titel “No bilingue” wird bald in die Kinos kommen und schon vor Gaddafis Hasstirade auf die Schweiz und sein Vorschlag sie nach Sprachteilen an die umliegenden europäischen Länder zu verteilen, war es nicht unproblematisch, dass der Filmmarkt in drei gespalten ist: ein mittelgrosser Deutschschweizer Markt, ein relativ kleiner französischsprachiger Markt und ein winziger italienischsprachiger Markt. Das hat zur Folge, dass derselbe Film oft zwei Starttermine hat und man in Freiburg manchmal ein halbes Jahr früher als in Bern einen französischen Film zu sehen bekommt und umgekehrt in Bern schon viel früher deutschsprachige Filme laufen z.B.
Schon gestern morgen habe ich mich mit einer Schweizer Cutterin und Bloggerin unterhalten, die extra aus Wien angereist ist und in Solothurn das Gefühl bekommt, dass es keinen Schweizer Film mehr gibt: “Das Geld stammt sicher noch aus der Schweiz, aber die meisten guten Filme sind europäische Koproduktionen”. Das mag stimmen, schaut man sich zum Beispiel «Jill» von Steven Michael Hayes an, eine deutsch-schweizerische Koproduktion, die in den USA spielt und in Englisch gedreht wurde.
«Jill» ist ein grösstenteils aus Schweizer Geldern finanzierter Film mit internationalen Ambitionen, der aber weder amerikanisch ist (die Akzente sind teilweise falsch und das Setting im zwar ähnlichen Jura irgendwie zu künstlich) noch schweizerisch sein will. In sehr gekonnt ästhetischen Aufnahmen von DOP Marco Barberi (nominiert für den Schweizer Filmpreis) erzählt «Jill» die Kindheit des gleichnamigen Mädchens, das mit seinen vier Geschwistern in einem abgelegenen Haus aufwuchs. Ihr Vater, ein paranoider und cholerischer Systemhasser wollte sie vor der Welt schützen und ihre Mutter blieb ihm bis zu einem gewissen Punkt völlig unterworfen, legte sogar ihre Arbeit als Autorin ab, um seiner Utopie zu entsprechen. Vieles an ihrem kleinen Hippie-Kosmos scheint wunderbar, doch irgendwann kommt für die Jugendlichen der Moment in die weite Welt zu ziehen und so entscheidet sich der ältere Bruder Colt für ein College-Studium, trotz der Ablehnung seines Vaters, der ihm auch keine finanzielle Unterstützung gewährt.
Der Film ist kein Meisterwerk. Er hat zärtliche Momente, ja, denn im bunten Chaos des Hauses dürfen die Kinder all ihren kreativen Impulsen freien Lauf lassen (vielleicht zu sehr sogar…), doch mit der Zeit wirkt die emotionale Musik ein wenig pathetisch und das ganze erinnert an eine zu lang geratene Helsana-Werbung. Schwierig einen solchen Film “gut” zu finden, wenn am gleichen Tag «Messidor» (CH 1979) von Alain Tanner zu sehen ist, der mit tatsächlichen Aussagen und relevanten Beobachtungen zu “unserem” Land trumpft. Dagegen scheint sich «Jill» in einer imaginären Fantasievorstellung zu wähnen, die an «Captain Fantastic» (US 2016) von Matt Ross erinnert und dem es an Substanz und vor allem Humor fehlt.